Pedal DIY: Ist Gitarrenpedale selber bauen etwas für Anfänger?
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Die Reise der Comedy hat schon etliche Jahrhunderte auf dem Buckel, doch ein Ende ist natürlich nicht in Sicht, denn Lachen gehört zu den primärsten Eigenschaften des Menschen, je nachdem wie ein Lachen wirkt, steigt oder sinkt die soziale Attraktivität. Innerhalb von intellektuellen Kreisen besteht nach wie vor die Debatte, ob Comedians die Philosophen und Philosophinnen der Moderne repräsentieren, denn an diesem Axiom haftet eine Menge unbestreitbarer Wahrheit, man muss nur an legendäre Beispiele des Stand-Up denken, wie damals George Carlin mit messerscharfen Verstand die Heuchlerei der modernen Gesellschaft anprangerte oder momentan Kultkomiker Dave Chappelle die verschiedenen Fronten verhärtet mit seiner konfrontativen, aber sehr ehrlichen Gesellschaftskritik.
Insbesondere musikalische Comedy verfügt über das Potenzial, sich über aktuelle Missstände köstlich in Kombination mit wohltuenden Klängen zu amüsieren, wie es an diesem Beispiel exerziert wird, denn Vorhang auf für Bo Burnhams Netflix Comedy Special Inside, ein einzigartiges Covid – bedingtes Stand Up Programm, welches über ein Jahr lang in Eigenregie des jungen Künstlers im heimischen Wohnzimmer produziert wurde, und herrlich schräg und mit fast schon chirurgischer Präzision den Wahnsinn unserer heutigen Internetkultur verdeutlicht.
Inside wurde am 30. Mai 2021 global auf Netflix veröffentlicht und macht aufmerksam auf den talentierten jungen Komiker und Musiker. Es ist besonders daher, dass wir in unserer vernetzten Welt nie zuvor eine Krise in einem derartigen Ausmaß erlebt haben und dies dementsprechend kein Live-Programm vor Publikum ist, sondern ein zeitloses digitales Produkt, welches rund um die Uhr überall auf dem Globus konsumiert werden kann.
Glücklicherweise kann direkt vorweggenommen werden, dass das Hauptthema nicht das Coronavirus ist, obwohl es der Katalysator für die Entstehung des Comedy – Specials war. Stattdessen liegt der Fokus auf schwerwiegenden Themen wie Vereinsamung, Mentale Krankheiten, soziale Ungerechtigkeit, wie etwa systematische Oppression und Einkommensungleichheit, und allen voran der wahnsinnige Verlauf des Internetzeitalters.
Bo Burnham nimmt es auf sich, in der völligen Isolation seines Wohnzimmers, die gesamte Welt mithilfe von Comedy zu heilen, wie er es im Film mit einem Augenzwinkern kommentiert, und den Irrsinn von exzessivem Internetkonsum mit der Kraft der Musik und des bissigen Wortes offen darzulegen. Doch des Pudels Kern ist der immense Effekt, den langwierige Isolation auf die Psyche hat, welches den narrativen Faden des Specials formt.
Der Film beginnt mit einer totalen Aufnahme des Wohnzimmers, indem diverse Musikinstrumente und Gerätschaften zu sehen sind und welche penibel geordnet im Raum verteilt wurden, und plötzlich öffnet sich die Haustüre und man erkennt kurz die Silhouette von Bo Burnham, wie er von Sonnenstrahlen erleuchtet sein Arbeitszimmer betritt. Dies ist eine direkte visuelle Referenz zu der letzten Einstellung der vorhergegangenen Specials Make Happy! aus dem Jahr 2016, welches die letzte aktive Arbeit von Burnham war, bevor er aufgrund von Panikattacken sich nicht mehr dazu imstande fühlte, live zu performen und sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückzog.
Glücklicherweise kann direkt vorweggenommen werden, dass sich Bo Burnham dafür entschieden hat, das Virus nicht zum Zentrum der Aufmerksamkeit aufzuziehen, sondern stattdessen es in einem witzigen Nebensatz noch nicht einmal beim Namen nennt, und sich eher auf die unangenehmen Folgen von Langzeitisolation auf die Psyche der betroffenen Personen, in diesem Beispiel seine eigene Psyche, konzentriert und diese manchmal lustig, manchmal brutal ehrlich beleuchtet.
Sein eigenes vorangegangenes Exil fließt hier hinein und gibt den Episoden, in denen er nicht die Fassung behält und in sich zusammenbricht und sich den Tränen ergibt einen gewissen Grad von Authentizität, da Bo Burnham nicht gefeit vor depressiven Schüben ist, vor allem nicht in langfristiger Isolation.
Die Mammutaufgabe, ein komplettes Special für Netflix im Alleingang zu schreiben, drehen, komponieren und letztendlich all diese Komponenten trotz eines geringen Budgets zu einem homogenen Ganzen zusammenzusetzen, ist eindeutig ziemlich clever gelungen. Um genau zu sein sind Bild- und Tonsprache perfekt aufeinander abgestimmt, um somit gekonnt audiovisuelle Satire zu betreiben. Apropos audiovisuell: Dafür, dass Bo Burnham alles allein inszeniert hat, und somit garantiert in der Zeit der Isolation sich das nötige Knowhow angeeignet hat, gelingt es ihm, eine starke cineastische Bildsprache zu konstruieren, als geeignetes Beispiel hierfür wären die sich wiederholenden Zoomfahrten der Kamera, welche direkt in das schwarze Zentrum der Kameralinse und daraufhin zu einem geschmeidigen Übergang führen.
Gepaart mit ominöser Musik spricht diese Kamerafahrt Bände: In unserer Einsamkeit richten wir unser ganzes Selbst und projizieren es gleichzeitig auf die Kamera, mit der wir die restliche Welt erreichen wollen, doch letztendlich enden wir in einem schier unendlichen Selbstdialog.
Abseits der Düsternis darf dann auch der komödiantische und vor allem musikalische Teil des Specials scheinen, und wenn er das tut, dann mit einer blendenden Intensität: Zwei unter einer Minute andauernden Musikinterluden sind lediglich als „Bezos I & II“ aufgelistet und Bo Burnham feuert aus allen Zylindern gegen den reichsten Mann der Welt.
Die knapp eineinhalb Stunden sind randvoll gepackt mit eindrucksvollen Nummern, von den treibenden Synth-Beats des Anfangsstücks „Content“, welches direkt die wichtigsten Fragestellungen des Films benennt, konkret den Zustand der Welt und abnehmende geistige Gesundheit im Angesicht der Isolation; „Problematic“, eine Synthpop -Tanznummer in der er sich stellvertretend für die restliche weiße Männerkultur aufgrund seiner Ignoranz und seines Privilegs in blasphemischen Bildmaterial kreuzigen lässt, dem Folk-inspirierten „That Funny Feeling“, wobei gleich zu Beginn bissig die Prätension von vielen Singer-Songwriters aufs Korn genommen wird in Hinsicht auf deren Selbstwahrnehmung, und natürlich dem karnevalesken Irrsinn namens „Welcome to The Internet“, dem Herzstück des Films.
„Welcome To The Internet“ ist ein Paradebeispiel für die Finesse von Bo Burnham, die bereits erwähnte karnevalesk inspirierte Musik wird begleitet von geschickt geschriebenen Wortspielen und Reimen, was generell eine Stärke von Bo Burnham ausmacht, seine anderen Specials belegen dies eindeutig, und diese Kombination illustriert den Irrsinn des Internets und seiner Sog-artigen Wirkung, und abgerundet durch eine starke Inszenierung , mit einer hauptsächlich statischen Kameraarbeit fokussiert auf ihn und sein Klavier und einer Menge Lasereffekte.
Nicht zu viel soll verraten werden, am besten es wird selbst konsumiert und dadurch erlebt, doch eine Zeile des Liedes, kann als Indikator der Thematik hervorgehoben werden: „Apathy´s a Tragedy and Boredom is a Crime“. In dem Autotune-lastigen „All Eyes on Me“ findet diese Zeile eine weitere Verwendung, ein ebenfalls gelungener Song, der mit dem Größenwahnsinn von Content Creators ironisch abrechnet, welches durch das Einsetzen der Zeile eines vorangegangenen Liedes mehr Gewicht verliehen bekommt.
Trotz aller verspielten und stellenweise genial inszenierten humoristischen Einlagen steckt ein düsterer Kern hinter dem gesamten Spektakel. Die Geschichte zeigt lose den geistigen Zerfall eines von der Pandemie gebeutelten Künstlers, der über ein Jahr isoliert in seinem Heim verbringt und lediglich die Kameras und die Reichweite des Internets nutzt, um mit der Außenwelt zu kommunizieren. Obwohl auf Netflix die Kategorisierung auf „Comedy“ fällt, beinhaltet der Film eine überraschend gefühlvolle und rohe emotionale Authentizität und dokumentiert was nach authentischen Ausrastern, Nervenzusammenbrüchen und Weinattacken von Bo Burnham persönlich inmitten der Kreation von Inside aussieht.
Immer wieder werden introspektive Zwischenspieler eingesetzt, die das Innenleben von Bo Burnham widerspiegeln, in denen er melancholisch anmutend über den Stand der Welt sinniert und die einzelnen Hauptlieder dienen zum einen als integratives Bindeglied des großen Narrativs, und zum anderen stehen sie als individuelle Musikvideos für sich.
Bo Burnham steht stellvertretend für jeden einzelnen von uns, da diese Isolationserfahrung sich ins kollektive Bewusstsein des Globus eingenistet hat und wir anhand seines Beispiels erkennen können, dass ein schreckliches Ereignis auch ein verstecktes Geschenk bereithalten kann, in diesem Fall die Möglichkeit, uns tiefgründig mit unseren eigenen Wünschen und Ängsten auseinanderzusetzen und was wir wirklich wollen und brauchen, um eine glückselige Existenz zu fristen.
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Ursprünglich veröffentlicht am 7. Mai 2022 aktualisiert am 12. Mai 2022
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit