Amy - das tragische Schiksal der Amy Winehouse
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Punk Rock als Musikgenre sucht die Welt seit einigen Jahrzehnten nun schon heim, dennoch scheint es seine Schockwirkung von einst längst eingebüßt zu haben; stattdessen ist es heutzutage ein wesentlicher Bestandteil des Popkultur, die dreckige, meist selbstzusammengeschneiderte Kleidung gespickt voller provokativer Aufnäher, welche den Missmut gegenüber der Gesellschaft optisch zur Schau trug verwandelte sich im Laufe der Zeit zu unzähligen Modeaccessoires, welche als punkig ausgegeben werden und der großen kapitalistischen Maschinerie zweckentfremdet dienen.
Selbst die Musik hat heute nur annährend die gleiche brodelnde Wut darzubieten wie damals, als es ein wirklicher Lebensstil war Punk und ergo ein Außenseiter zu sein. Genau daher leitet sich der englische Begriff „Punk“ ab: Außenseiter, entartet von der sozialen Rangordnung und dazu verdammt, ein hartes und unerfülltes Leben zu führen abseits der gesellschaftlichen Norm. Was einst die ikonischen Wegbereiter und Wegbereiterinnen dieser kulturellen und musikalischen Revolution definierte, schien im unaufhaltsamen Fluss der Zeit mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken und Platz zu machen für massentaugliche, kommerziell erfolgreiche Musik ohne jegliche Authentizität.
Doch dann kam GG Hated von Todd Phillips, welcher später einen hohen Bekanntheitsgrad durch Filme wie The Hangover und letztens Joker erlangte, erzählt die wahnsinnig obszöne Geschichte von der Punk Rock Figur GG Allin und seiner damaligen Band The Murder Junkies, welcher von Ende der Achtziger bis 1993, das Jahr dieser Rockumentary, sein Unwesen trieb und zu einem der berüchtigtsten Vertreter der gesamten Punk Rock Bewegung avancierte. Wer immer den Glauben vertrat, dass Punk lediglich ein Image sei, der wird bei Sichtung dieser Doku eines Besseren belehrt.
Knapp eine Stunde lang dokumentiert Phillips die massenweisen Ausschweifungen während der US-Tour ´93, welche durch den abrupten Tod des Hauptakteurs vorzeitig auf tragische Weise beendet wurde. Diese Dokumentation ist frei verfügbar auf Youtube für all jene Interessierten, die eine Stunde entbehren können, um in die tiefsten Abgründe eines der zutiefst gestörten Individuen in der Geschichte des Punk Rock zu tauchen und um zu sehen, wie ernst es manchen Menschen wirklich war.
Der Film beginnt mit einem Einspieler eines Zitats des Serienmörders John Wayne Gacy, welcher wie im Laufe der Doku herauskommt, regelmäßigen Kontakt zu GG führte, generell war Gacy dafür bekannt, einer der zugänglichsten Killer der USA zu sein, da er routiniert Brieffreundschaften und persönliche Besuche von Bewunderern zuließ, einer dieser Bewunderer war GG Allin. Im besagten Zitat lobt Gacy GG Allin für seine Kunst, einer kranken Gesellschaft das zu zeigen, was in ihr schlummert und er besitze das Potenzial, eine neue revolutionäre Bewegung herbeizuführen.
Ganz explizit erwähnt Gacy, dass GG kein bloßer Provokateur war, sondern dass ein Gehirn beziehungsweise eine Vision hinter dem ganzen perfiden Schaffen all die Zeit steckte. Direkt im Anschluss beginnt der Regisseur selbst aus dem Off zu erzählen, nämlich wie er die Band das erste Mal zirka 1988 live sah, und GG schon dort für Furore sorgte, in dem er Kämpfe mit dem Publikum anzettelte und die Treppen mehrmals blutüberströmt heruntergestolpert sei.
Kurz nach dem Konzert musste sich GG vor Gericht verantworten, da er zwei Frauen körperlich angriff, doch Phillips nahm Kontakt zu seinem Bruder und Bassisten Merle auf, welcher im Endeffekt bereit dazu war, Kontakt zu GG persönlich aufzunehmen, als Phillips ihm von seinem Plan, eine Dokumentation über die Band zu drehen, berichtete. Zu diesem Zeitpunkt hatte GG eine zweijährige Bewährungsstrafe, was es ihm ermöglichte, die Tour und die Dokumentation zu realisieren.
Das Hauptaugenmerk der Dokumentation liegt auf der US-Tour von 1993, meist erzählt von GG und Merle, aber auch ehemalige Mitglieder, welche eine komplett andere Meinung als GG und Co. vertreten, kommen zu Wort, ebenso wie einstige Schulbekanntschaften, ein Musiklehrer und der enorme Fan namens Unk, welcher viel zu dem bissigen Ton der Doku beiträgt. Generell sollte erwähnt werden, was für einen rohen, dreckigen, fast schon DIY-artigen Look die Doku hat, als ob jemand sich die erstbeste Kamera geschnappt und willkürlich angefangen hat, die Welt um sich herum zu fotografieren, dazu bedient sie sich ausschließlich der Musik der Band für die gesamte Doku. Dies steht eindeutig im Sinne von GG Allin`s Natur, denn er und seine Mannen rühmten sich damit, die widerlichsten, abscheulichsten Exemplare des Punks zu sein.
Ex-Gitarrist Chicken John stimmt vehement nicht mit GG´s Philosophie überein, was ausdrücklich in der Doku wiedergegeben wird, da er die Meinung vertritt, dass GG keine künstlerische Integrität besitzt und lediglich ein trauriger Mann sei, der nur unnötig aufwiegt und die negativsten charakterlichen Eigenschaften anzieht und zum Vorschein bringt, es gibt keine konstruktive, sondern rein transgressive Kritik.
Nach Selbstaussage GGs bestätigt er, dass wenn er nicht den artistischen Output in Form von Punk Rock besessen hätte, dann wäre er wohl wie John Wayne Gacy im Todestrakt eines Zuchthauses gelandet, da sein Hass auf die Welt höchstwahrscheinlich in mehrfachem, gewalttätigem Mord gemündet hätte. Über- Fan Unk stimmt dieser Aussage insofern zu, dass GG einen brennenden Hass gegenüber jeglicher Form von Autorität besaß, was auf seinen gewalttätigen, dominierenden Vater zurückschließen lässt, und ihn tagtäglich, nicht nur auf der Bühne, auslebte. Ein Vagabund der Moderne, welcher nach eigener Aussage nur ein Set Klamotten besitzt und ständig wachsam seine Umwelt wahrnimmt, für den Falle einer spontanen Flucht vor der Polizei falls nötig.
Sein Bruder Merle sagt aus, dass der wesentliche Unterschied zwischen ihnen sei, dass er für seine Tattoos bezahlt und GG im Rausch jemand williges findet mit Nadeln, Tinte etc., um seinen Körper mit handgemachten Tattoos zu zieren.
Regisseur Todd Phillips betont mehrmals innerhalb der Doku, ähnlich wie Gacy´s Anfangszitat, dass GG Allin eine Seite von Amerika repräsentierte, an die die meisten amerikanischen Menschen nicht wagen zu denken; eine entfremdete, richtungslose Minderheit wurde von GG´s Worten angezogen und fand in ihm eine würdigen Repräsentanten, dem Punk Rocker mit einem Todeswunsch. Als ein bissiger Kommentator sozialer Missstände lebte GG außerhalb der Norm, ständig aufgeladen und unberechenbar, er selbst meinte dazu, dass eine herkömmliche Definition einer konformen Existenz nur dazu diene, mächtigen Menschen mehr Macht über einen selbst zu geben und an der Stange gehalten zu werden.
Während einer Talkshow beschreibt GG Allin seinen Körper als Tempel des Rock´n´Roll, und alles was dieser Körper produziert, wird dem Publikum bei dem Live-Ritual dargeboten. Dies ist eine Referenz zu seinen obszönen Auftritten, in denen er sich auf der Bühne erleichterte und damit begann, das Publikum mit seinen Exkrementen zu bewerfen, wenn er sie nicht schon körperlich angriff, was zu der Live - Routine zählte. Im selben Interview ruft GG Allin für mehr Gefahr in der Rockmusik aus, da der Spirit des Rock´n´Roll abhandengekommen sei und einer passiven, staats- und ideologiekonformen Farce wich, wofür Rockmusik im Kern nicht steht, sondern essenziell für Rebellion und alternativen Diskurs in einer Welt, die von einer Meinung getragen wird, steht. Lange Zeit kündigte GG Allin seinen öffentlichen Selbstmord an, da er vorhatte, sein Leben dem Rock´n´Roll zu opfern, doch diese Tat ließ auf sich warten, was für einigen Missmut innerhalb des GG Allin Zirkus sorgte, welches explizit in der Doku aufgegriffen wird.
Ursprünglich wollte GG sich C4 um den Körper schnallen und spektakulär während eines Auftritts Suizid begehen und ein paar Todesopfer fordern, letzten Endes, am 28.Juli 1993 starb er nach einer Überdosis Heroin nach einem seiner gewaltreichsten Konzerte, was der Film auch dokumentiert. Sein Tod sollte etwas werden, dass Rock´n´Roll nicht ignorieren könne, am Ende starb er wie ein typischer Rockstar in typischer Rockstar-Manier.
Mit Hated wurde ein filmisches Denkmal für eine der manischsten und tragischsten Figuren innerhalb der Punk Rock Bewegung geschaffen, der die Abgründe einer entgleisenden Gesellschaft drastisch und unverblümt mit seiner Kunst zum Ausdruck brachte und welche ihm am Ende das Leben kostete. Die Welt der Musik ist gefüllt mit interessanten Schicksalen und unfassbaren Begebenheiten, und falls ihr Lust auf mehr bekommen habt und euch ohne Probleme außerhalb eurer gewohnten Komfortzone bewegen könnt, dann schaut tiefer hinein hier in den Blog von mukken! Künstlerprofile, aufschlussreiche Artikel zur Arbeit mit Musikprogrammen, Anleitungen zu Gesangstechniken und Hilfestellungen für die Spielart von Instrumenten und noch vieles mehr wartet hier, um entdeckt zu werden, weil Musik zusammenbringt und für mehr zwischenmenschliche Interkonnektivität sorgt.
Ursprünglich veröffentlicht am 25. April 2022 aktualisiert am 19. Oktober 2022
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit