Kalandra – mystische Klänge aus dem hohen Norden
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Der Ausdruck "Hi-Fi" ist allgemein bekannt für die Verwendung in der Tontechnik. Es ist die abgekürzte Form von "High Fidelity", was im Grunde bedeutet, dass die Klangschwingungen in vollem Umfang maximiert werden. Das Gegenstück dazu ist "lo-fi", oder "low fidelity", was auf einen radikalen Rückgang der Audioqualität hinweist. Das Wort Fidelity (Treue) ist jedoch gleichzeitig eine der tragenden Säulen moderner Beziehungen zwischen Menschen. 1995 veröffentlichte der britische Autor Nick Hornby, der auch Popmusikkritiker der Kulturzeitschrift "The New Yorker" ist, seinen allerersten Roman High Fidelity. In diesem zerlegt er mit Analogien der Popmusik diese modernen Beziehungen.
Der Roman erwies sich als großer kommerzieller Erfolg und rankte über Jahre hinaus an der Spitze der globalen Bestsellerlisten. Im Jahr 2000 verwandelte der britische Regisseur Stephen Frears den Roman High Fidelity in eine Hollywood-Komödie mit John Cusack und einem bis dato relativ unbekannten Jack Black in einer Nebenrolle. Dies wurde auch mit kritischem Beifall und begeisternden Rezensionen aufgenommen. 2020 wurde eine leider kurzlebige Fernsehserie mit Zoë Kravitz als geschlechtervertauschte Protagonistin veröffentlicht, die das Material erfolgreich geupdatet hat.
Das Schöne an Nick Hornbys Schöpfung ist, dass er es geschafft hat, eine Geschichte zu schreiben, die zeitlos ist. Musik wird es immer geben. Solange es Menschen gibt, die auf der Erde leben und eine gute Geschichte über menschliche Beziehungen, wird Musik nie an Faszination verlieren. Das Geniale hinter Hornbys Arbeit ist, dass diese einen aufschlussreichen Blick in die Art und Weise bietet, wie wir uns richtig funktionierende Beziehungen vorstellen. Nur, um meist enttäuscht zu sein, wenn unsere eigenen Erwartungen nicht erfüllt werden können.
Genau dieser Konflikt, der seit jeher am Brodeln ist, steht im Herzen von High Fidelity. Nur fünf Jahre später entstand eine Hollywood-Adaption, welche die universelle Anwendbarkeit der Geschichte unter Beweis stellte. Und die den ursprünglichen britischen Charme bewahrte. High Fidelity gewann als Film fast sofort Kultstatus und ist immer noch unter den Top-Listen der Musik- und Filmfans gleichermaßen vertreten.
Der Originalroman spielt in London und ist unbestreitbar britisch durch seine witzigen und subtilen Dialoge und dem stellenweisen pechschwarzen Humor. Die Geschichte dreht sich um Musikfreak und Plattenladen-Besitzer Rob, der Mitte dreißig ist und sich kürzlich von seiner langjährigen Freundin Laura getrennt hat. Von Musik und allem, was mit Populärkultur zu tun hat besessen, sieht Rob die Welt um ihn herum gerne durch musikalische Analogien. Dabei arrangiert er diverse Top-Five-Listen über sein Privatleben.
Jede Version der Geschichte beginnt damit, dass Rob seine ganz persönlichen Top-5-Beziehungen präsentiert, die in einer Trennung endeten und ihn sein Leben lang verfolgt haben. Direkt von Anfang an ist es ein interessanter Einfall, die Erlebnisse und Probleme mit der Nüchternheit der Erstellung von Best-Of-Listen zu vergleichen. Robs Top-Five-Trennungen erhalten daher einen komödiantischen, aber greifbaren Touch, wie auch der Rest seiner Erlösungsgeschichte.
Erlösung ist das, was Rob braucht. Denn High Fidelity handelt von einem ziemlich makelhaften Protagonisten, der häufig als unsympathisch rüberkommt. Glücklicherweise erkennt der Autor Nick Hornby dies an und überschreitet die moralische Grenze nie zu sehr, sodass keine anhaltende Antipathie für die Figur aufkommt. Sehr hilfreich bei dieser Aufgabe ist die tolle Zusammenstellung von Nebenfiguren. Allen voran Rob´s Kollegen, die etwas Leichtfertigkeit und sicherlich auch eine gewisse Sympathie beisteuern.
Rob und seine Kollegen porträtieren einen Haufen schnippischer, musikbegeisterter Männer. Diese Leute denken, dass ihre Meinungen von höchstem Wert sind und dass Mainstream-Musikhörer*Innen ständig belächelt werden sollen. Das ist eindeutig asoziales Verhalten. Doch die Charaktere sind mit so vielen charmanten Eigenschaften gefüllt, dass man sie trotz all ihrer Fehler und Macken einfach nicht verabscheuen kann. Im Allgemeinen stellen die drei Hauptfiguren Archetypen moderner Männer mittleren Alters dar. Insbesondere im Hinblick darauf, wie sie romantische Beziehungen wahrnehmen. Schlussendlich hofft Rob, Klarheit über seine Fehler in der Vergangenheit zu gewinnen, indem er die fünf Frauen konfrontiert, die ihn scheinbar schwer verletzt haben.
Die Erforschung des männlichen Egos, was der auffälligste Aspekt des Romans High Fidelity zu sein scheint, ist eine Leistung, die Nick Hornby ungeheuer vollbracht hat. Als eine Person, die sich als männlich identifiziert, hat der Autor dieses Textes viele Facetten von sich in den männlichen Charakteren in High Fidelity wiedererkannt. Vor allem, wenn die Ängste und Unsicherheiten von romantischen Beziehungen angesprochen werden. Es scheint, als ob in High Fidelity jeder Archetyp des männlichen Spektrums, der Beziehungsfragen betrifft, eine tiefergreifende Erkundung bekommt. Aber was ist mit den Frauen? Kritiker*innen des Romans und seiner Verfilmung aus dem Jahr 2000 wiesen auf den schweren Mangel an weiblichen Charakteren in beiden Iterationen hin. Denn die einzigen Frauen in diesen Geschichten werden zu Nebenfiguren degradiert. Genau 20 Jahre später, als die Welt bedeutende Veränderungen im sozialen, politischen und insbesondere im geschlechtlichen Sektor erlebt hat, war die Zeit reif für eine neue Version.
Daher wurde über Hulu eine modernisierte Interpretation der klassischen Geschichte erstellt. Eine Version, die eine weibliche Rob und einen viel lebendigeren, modernen Soundtrack enthält. Die neue Serie High Fidelity ging sogar noch einen Schritt weiter und schaffte es, den liebenswerten Mitarbeitern viel mehr Tiefe zu geben und Hintergrundgeschichten zu verfeinern. Leider wurde die neue Serie nach nur einer Staffel abbestellt, da es reichlich Gelegenheit gab, die bereits etablierte Geschichte weiter zu ergänzen. Rückblickend gelang es der Serie, einen weiblicheren Blick auf die romantische Liebe zu werfen, ohne dabei Männer herabzusetzen. Sowohl in der Buch- als auch in der Film-Fassung wurde Bruce Springsteen als externalisierte Stimme der Vernunft für den männlichen Protagonisten dargestellt. Die Serie hingegen schaltet auch in dieser Hinsicht um und brachte keine Geringere als Deborah Harry, die legendäre Blondie, dazu, den positiven Einfluss auf Rob zu haben.
Es ist eine Schande, dass diese vielversprechende Serie nicht mit einer zweiten Staffel belohnt wurde. Aber es lohnt sich, die eine Staffel zu checken, die herauskam. Eine Beschwerde wäre das weibliche Gegenstück zu Jack Black´s Barry in der Serie. Warum? Weil es grundsätzlich unmöglich ist, das einzigartige Charismazu replizieren, geschweige denn zu übertreffen. Andererseits ist das Casting von Zoë Kravitz eine nette Geste, da ihre wirkliche Mutter, Lisa Bonet, die Rolle der sinnlichen Sängerin Marie de Salle verkörpert, mit der Rob sich auf eine kurzweilige Affäre einlässt.
Seit High Fidelity erstmals in schriftlicher Form veröffentlicht wurde, entwickelte die Geschichte sich allmählich zu einem weltweiten kulturellen Phänomen. Dies liegt vor allem an dem Kunststück, Popkultur-Anekdoten mit tiefgehenden Anklagen gegen das männliche Ego zu verflechten. Und daran, Musik als buchstäblichen Eckpfeiler der Geschichte zu erhalten.
Der Film aus dem Jahr 2000 profitierte sehr von John Cusacks natürlicher Liebenswürdigkeit, was dazu beitrug, die arrogante Hauptfigur am Leben zu erhalten. Vor allem das natürliche Charisma von Jack Black läutete seine Karriere als großen Star ein, der ebenso wie sein Gegenstück zum Roman am Ende auf der Bühne auftritt und alle mit seinem musikalischen Talent beeindruckt. Davor waren alle anderen überzeugt, dass er nur aufbrausend sei. Dass er gerne viel über Musik spricht, aber nicht versteht, wie man selbst Musik macht, welches ein weiterer Archetyp von Musikliebhabern ist. Die Serie brachte diese integralen Themen sogar weiter voran, wurde aber leider viel zu früh abgesetzt. Obwohl sie bewies, dass die Geschichte von High Fidelity in Wirklichkeit zeitlos ist.
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Ursprünglich veröffentlicht am 25. Oktober 2022 aktualisiert am 9. März 2023
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit