Amy - das tragische Schiksal der Amy Winehouse
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Der Tod. So allgegenwärtig, und doch gefühlt eine Ewigkeit von einem selbst entfernt, bis er einen plötzlich einholt; im jugendlichen Leichtsinn fühlten wir uns alle unsterblich, im Erwachsenenalter nagt der Zahn der Zeit unerbittlich an uns, sodass er zu einem permanenten Begleiter in Taten und Gedankengut heranwächst. Ein düsteres Thema, was aber soziologisch und anthropologisch einen hohen Stellenwert einnimmt und auch die eine oder andere Erkenntnis, insbesondere in Hinsicht der Künste, erbringen kann. In der Welt der Musik hat sich ein gesamtes Subgenre dem Tod verschrieben, namentlich das Genre des Death Metal, und hier wird einer der innovativsten und langwierigsten Vertreter dieses Genres genauer beleuchtet: Willkommen in der aschfahlen Welt von Immolation!
Eine der dienstältesten Formationen des Subgenres Death Metal, welches seit Mitte der Achtzigerjahre sein verrottetes Unwesen in der Musikwelt treibt, zunächst in der Inkarnation namens Rigor Mortis (der wissenschaftliche Fachbegriff für Leichenstarre) von 1986 bis 1988, stellt Immolation aus New York City dar. Das Vierergespann rund um die Ur-Mitglieder Ross Dolan und Robert Vigna besticht seit ihrer Gründung Ende durch epochalen, kolossal groovigen und vor allem unorthodoxen Death Metal, welcher durch den sehr eigenartigen Gitarrenspielstil Vignas hervorgerufen wird, indem er labyrinthartige Riffs und stark verschachtelte Harmonien und Melodien komponiert, welche sich wie spektrale Schlangen durch die Gehörgänge winden, um die Musik selbst zu etwas Höherem ansteigen zu lassen; ein klangliches Testament an die Übermacht der Korruption sowie eine Ode an die majestätische Anmut des Todes, die uns alle über kurz oder lang diktiert.
Adrenalin und artistische Integrität stehen auf dem Banner der New Yorker Männer und wie kaum eine andere Gruppierung innerhalb des Death Metal Zirkusses schaffen es Immolation, Wut und Erhabenheit harmonisch miteinander zu verbinden, klar ist die brodelnde Wut in jeder Faser der Musik zu vernehmen, allerdings ist diese Wut derart kalkuliert, dass sie purer, rasender Aggression Platz macht für sorgfältig arrangierte Klangteppiche, die die Aggressionen, welche in Musikform ausgelassen werden, zu einem sphärischen Gewölbe umwandeln, mit Schichten über Schichten voller grandioser Atmosphäre, was je nach Blickwinkel himmlisch oder höllisch klingen mag, den eingefleischten Atheisten aus Yonkers wird diese Feinunterscheidung herzlich egal sein.
Ross Dolans doppelte Pflicht von Bassspiel und röhrenden, zwar etwas monoton gehaltenen, aber dennoch kraftvoll und bestimmten Growls vereint sich organisch mit den einzigartigen Riffs von Vigna und Co., und dem vertrackten Schlagzeug, welches durch abrupte Tempowechsel und martialischer Rhythmik besticht, zu einer der eigenständigsten Gruppen in der gesamten Geschichte des Genres, welche sich derart nuanciert eine eigene Nische im Pantheon des Todesmetalls geschaffen haben.
Mit einer ähnlichen Grundthematik versehen agieren auch Deicide (Gottesmord), ebenso eine der prägenden Bands des Stils und ungefähr genauso lange aktiv wie Immolation, welche vor allem durch ihre ersten beiden Studioalben „Deicide“ und „Legion“ zu den berüchtigtsten Bands gehört, da nie zuvor in diesem Ausmaße derart blasphemisch und voller Gift und Galle gegen Gott und organisierte Religion gewettert, dies sollte sich ein paar wenige Jahre später durch die Entstehung des skandinavischen Black Metals selbst vervollständigen als eigenständiges Musikgenre.
Im Gegensatz zu Deicide´s ganz und gar nicht subtilen Kritik an Gott und die Welt, wie etwa das prangernde Brandzeichen eines umgedrehten Kreuzes auf der Stirn des Frontmannes Glen Benton, welcher wie Ross Dolan ebenfalls Bass und Gesang übernimmt, gehen die Mannen von Immolation kalkulierter und vor allem intellektueller vor; keine Anzeichen von plakativem, infantilem Leichtsinn und schocken um des Schockes Willen, sondern kryptische, zerebrale Sozialkritik in Anbetracht dessen, dass das meiste Übel auf der Welt im Namen Gottes geschieht, ganz egal welchen Namen diesem Gott auch angedichtet werden mag.
Kritische Stimmen behaupten, dass sich das gesamte Genre des Death Metals zu sehr mit Tod, Verderben und Krieg beschäftigt, diese grausamen Aspekte der menschlichen Erfahrungen gar glorifiziert, beziehungsweise einen Verrohungsprozess einleitet für Menschen, die sich zu stark mit der Musik auseinandersetzen. Diese Kritik wäre vielleicht noch zu den Anfangszeiten der Bewegung halbwegs angebracht gewesen, da es solch eine krasse neuartige Erscheinung mit blutigem Fokus auf horrende Missstände vorher noch nie gegeben hat. Mittlerweile belegen schon zahlreiche Studien, dass Menschen, die regelmäßig aggressive, extreme Musik hören, eher ausgeglichen im Alltag sind und besser mit stressvollen Situationen umgehen können.
Gewalt und Krieg sind leider allzu reelle Extensionen unserer selbst, Death Metal reagiert nur auf das, was schon in uns allen schlummert und tagtäglich überall auf der Welt geschieht, und reflektiert lediglich diese furchtbare Realität in Form von brutaler, gewalttätiger Musik und dementsprechenden textlichen Abhandlungen, um der Gesellschaft einen knallharten, unbequemen Spiegel vorzuhalten, der dann im Umkehrschluss womöglich dazu führen könnte, einen Diskurs der Dringlichkeit einzuleiten, der Hoffnung statt Verzweiflung gedeihen lässt.
Hinzu folgt ein kurzer Exkurs zu der dialektischen Beziehung zwischen Kunst und Gewalt: Gewalt kann als Monopol gesehen werden, denn wenn man historisch den gesellschaftlichen Wandel betrachtet, so lässt sich erkennen, dass sämtliche gesellschaftliche Fortschritte fast ausschließlich durch gewaltvolle Prozesse eingeleitet wurden, wie beispielsweise Ausbeutung von massenhaft Menschen und bewusster Liquidierungen unerwünschter Persönlichkeiten: gewalttätige Musik anstatt gewalttätige Akte dient als Ventil, um diese gewalttätigen, uns allen innewohnenden Triebe (Gewalt – und Sextrieb des Menschen) zu kanalisieren und in etwas zu transformieren, was gewaltfreie Kunst und ein gesundes Verständnis für diese in uns ruhenden Tendenzen fördern mag.
Dennoch gibt es eine innere Gewalt der Kunst, denn wahre Kunst ist ein gewaltvoller Akt, der das Publikum schmerzhaft in ihren Werte – und Moralvorstellungen penetriert, um unter Umständen gerade durch diese Erfahrungen der kunstvollen Gewalt zu wirklicher Änderung zu animieren.
Wie zu Anfang bereits kurz angeschnitten, ist es von Bedeutung, einen soziologischen und anthropologischen Kontext für die Positionierung von Tod und Kultur zu etablieren, um dementsprechend nachvollziehen zu können, wieso Death Metal als gesamtes Musikgenre gedeihen konnte und warum es immer noch quicklebendig ist. Die Kultur selbst dient als Testament gegen die Vergänglichkeit, sie erweitert sich dem Tode zum Trotz immer weiter, mit immer grandioseren Errungenschaften und Bauten, um den Zahn der Zeit zu überstehen; den Tod am Ende zu übergehen und ergo besiegen.
Die Familie fungiert auf einem ähnlichen Prinzip, denn durch die Vermehrung und dem Nachwuchs geben familiäre Menschen Teile ihrer Selbst instinktiv weiter, um über die Nachwelt hinweg zu überdauern. Haben wir uns mit dem Tod im Hinterkopf erst einmal arrangiert, das heißt, wir finden uns damit ab, dass alles endlich ist, so sehen wir uns oftmals dazu im der Lage, große, zeitüberdauernde Taten zu vollbringen, beziehungsweise wird die Motivation befeuert, persönlich politisch oder sonst aktiv zu werden und sich mit Leib und Seele gewissen Idealen zu verschreiben, allein auf dem Fakt ruhend, dass alles, wir mit eingeschlossen, vergänglich ist.
Seit dem Entstehen der Szene sorgten Immolation für Furore, angefangen mit ihrem Debüt „Dawn of Possession“, welches noch am ehesten mit herkömmlichen Death Metal zu dieser Zeit vergleichbar ist, allerdings scheinen schon dort progressive Anomalien hindurch, welche sich mit jedem Nachfolgerwerk deutlicher in die DNA der Band einfügen, und dies schon seit nunmehr als 30 Jahren ,gekrönt vom bis dato längsten Langspieler der Band, welcher am 18. Februar über Nuclear Blast herauskam und mit dem unheilverkündenden Titel „Acts of God“ aufwartet.
Vom Dahinsiechen der mittlerweile augenmerklich gereiften Herren ist anno 2022 absolut gar nichts zu spüren; Die Angriffe in Audioform lassen mit dem elften Album keineswegs nach, eher wirken die Arrangements noch ausgefeilter, die Botschaft noch dringlicher: Solange die innere Flamme entfacht bleibt, und die Neugier auf Innovation über die Bequemlichkeit der Tradition obsiegt, spielt Alter nicht die geringste Rolle mehr und verstecken vor der unbändigen neuen Generation brauchen sich Immolation in den kühnsten Träumen nicht.
Falls euch dieses Feature zu Immolation und Death Metal generell gefallen hat, dann zögert keine Sekunde länger und checkt die Vielseitigkeit des Blogs von mukken.com aus, in der euch weitere Features zu Bands und Musikstilen erwarten, beispielsweise das Künstlerprofil von Kvelertak oder die Rezension zum neuesten Werk der Schweizer Formation Zeal & Ardor. Wenn euer Appetit auf Musik dennoch nicht gestillt sein sollte, dann guckt euch gerne auch die fachlichen Beiträge unseres kreativen, musikaffinen Teams an; eine große Bandbreite an musikalischen Themen wird hier im Blog aufgegriffen und kontinuierlich erweitert, viel Spaß bei mukken.com, von Musikfans für Musikfans geschaffen!
Ursprünglich veröffentlicht am 15. März 2022 aktualisiert am 13. Mai 2022
Fokusthema: Der Schmyt - Underdog, Newcomer und Ausnahmetalent