Pedal DIY: Ist Gitarrenpedale selber bauen etwas für Anfänger?
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Kaum eine andere Band in der jüngsten Vergangenheit des Heavy Metal hat so viele hohe Wellen geschlagen. Kaum eine hat Kritiker*innen und Musikfans gleichsam so in Ekstase getrieben. Die Rede ist von der schwedischen Band Meshuggah. Der Name kommt aus dem Hebräischen beziehungsweise Jiddischen. Abgeleitet ist er vom Wort „meshuggene“ und bedeutet konkret „verrückt“. Kaum eine Band auf dieser Erde hat einen wohl passenderen Namen als die Wahnsinnigen aus Umeå. Seit 1987 haben sich die Herrschaften rund um das alteingesessene Trio von Fredrik Thordendal, Jens Kidman und Tomas Haake, das über die Zeit tatkräftige Unterstützung rekrutieren konnte, etwas zur Aufgabe gemacht: das Genre selbst zu dekonstruieren und zu sezieren. Diese Mission scheiterte nicht, denn mit ihren polyrhythmischen Angriffen auf die Gehörgänge erschufen sie ein völlig neues Subgenre des Heavy Metal. Ein Genre, dem mittlerweile eine Menge neue aufstrebende Bands frönen, namentlich dem “Djent”.
Der Stil Djent bezieht sich auf das enorm harte Anschlagen der Akkorde, was diese wiederum abdämpft. Unterschlagen wird das von polymetrischem Groove, sodass eine Kakophonie des Klangs entsteht, wie sie vorher nie erzeugt wurde. In der Musik werden solche Konflikte der Betonungen und Rhythmen als Synkopen (Singular: Synkope) bezeichnet. Meistens sind die Gitarren im Djent mit weiteren Saiten versehen, um somit mehr Vibrationen zu generieren. Typisch sind sieben bis acht-saitige Modelle. Meshuggah gelten als die Vorreiter dieses Genres, besonders Gitarrist Thordendal, der diesen Spielstil als erstes verwendete.
Mårten Hagström, der zweite Gitarrist der Band, entschuldigte sich in einem Interview ironisch dafür, ein neues Genre mit einer Unzahl von aspirierenden jungen Bands ins Leben gerufen zu haben. Diese würden zum Großteil im Schatten der Vorreiter verblassen, kaum Raum für Innovation bieten und lediglich alte Dinge lau aufwärmen. Die wahren Könige des Stils, auch wenn sie ihn selbst nicht gerne so bezeichnen, sind und bleiben Meshuggah. Die Band hat mittlerweile eine Diskografie von neun Studioalben im Gepäck und nichts von ihrer aggressiven und psychotischen Wucht eingebüßt.
Über die Jahre hinweg haben sich die Musiker um Frederik Thordendal zu einer Institution innerhalb des Heavy Metal-Kosmos entwickelt. Fast wie ein gut geöltes Maschinenstück inmitten einer kolossalen Maschinerie. Meshuggah haben schon längst in der Hard´n´Heavy-Welt regelrechten Kultstatus erlangt und werden von zig Menschen weltweit verehrt. Ist der generierte Hype um Meshuggah in irgendeiner Form gerechtfertigt? Die kurze und prägnante Antwort auf diese Frage ist ein resolutes “Ja!”. Keine andere skandinavische Metalband hat eine Evolution in der Art von Meshuggah durchlebt. Keine ist von einer technischen Thrash Metal-Gruppe zu den Schöpfern eines neuen, aufregenden Subgenres aufgestiegen.
Der Begriff “neu” ist hierbei relativ, da die fünfköpfige Band sich technisch gesehen der vorgegebenen Essenz aus Klangsphären des traditionellen Heavy Metals bemächtigte. Diese wurde sowieso schon von anderen kreiert, nur mit dem Unterschied, dass Meshuggah den altbekannten Groove bis aufs äußerste seiner bekannten Form ausdehnen. Somit wird eine in der Härte enthaltende Räumlichkeit erzeugt, die zusammen mit der konzipierten Monotonie einen Trance-artigen Effekt auslöst, der den Zuhörenden den Atem zu rauben vermag.
Gepaart mit diesen Sphären aus gewaltigen Riffs werden raue, wütende und robotisch anmutende Vocals von Jens Kidman dargeboten. Aufgrund der makellosen Produktion können diese sehr deutlich und klar dechiffrierbar vernommen werden. Die Texte von Meshuggah koexistieren in einer dissonanten Symbiose mit der Musik. Das vertrackte Timing lässt sie dabei abgehakt und entmenschlicht wirken, während der Sog der Musik alles Weitere verrichtet. Untypischerweise stammen die Texte nicht aus der Feder des Sprachrohrs Kidman, sondern vom Ausnahmedrummer Tomas Haake, dessen Spiel gesehen werden muss, um es fassen zu können. Auf den ersten Blick erscheinen die Texte zynisch und menschenfeindlich – doch fügen sie sich nahtlos in das audiovisuelle Gesamtkonzept ein, welches sich seit Ende der 80er-Jahre immer weiter verfeinerte.
Meshuggah´s Narrative erzählen häufig aus der Ich-Perspektive eines dem Wahnsinn verfallenen Menschen. Dieser will in einer düster inszenierten Zukunftslandschaft das Menschliche überwinden und zu einem technologisch verstärkten Überwesen mutieren. Gerade diese verstörenden Bilder, die beim Hören der Musik von Meshuggah sich vor dem inneren Auge abspielen, unterstreichen den Ansatz, dass es sich bei den Lyrics um kreative Warnungen über unseren technischen Fortschritt als Spezies und insbesondere unseren Umgang mit jener Technik handelt.
Als Pioniere – auch wenn sie sich selbst nicht gerne als solche betrachten – gelten Meshuggah im Extremmetal-Zirkus frühestens seit ihrem Debüt „Contradictions Collapse“ aus dem Jahr 1991. Auf dem Album befinden sie sich noch klar im Thrash Metal-Soundgewand. Allerdings sind bereits auf diesem Album die üblichen Verdächtigen im Klangbild von Meshuggah, wie etwa vertrackte Tempowechsel und Polyrhythmen zu finden. 1995 kam mit „Destroy, Erase, Improve“ das Album der Band heraus, welches ihren weiteren Karrierelauf definieren sollte. Die Thrash Metal-Anteile wurden immens heruntergeschraubt. Zurück blieb eine verzerrte, aber faszinierende Restkomponente, die futuristisch zu klingen schien. Songs wie der ikonische Opener „Future Breed Machine“ und „Soul Burn“ katapultieren Meshuggah in nie gehörte Riffsphären und an die Grenzen des menschlichen Fassungsvermögens.
Dieses menschliche Fassungsvermögen wurde mit jedem weiteren Album der Schweden weiter auf die Probe gestellt. Gefolgt wurde dieses bahnbrechende Album von „Chaosphere“ im Jahr 1998, das letzte vollständige Album von Meshuggah in den 90er-Jahren. Dieses hat die traditionelle Riffstruktur gänzlich über Bord geworfen und Metal zu einem Ambient-artigen Genre werden lassen – nur mit der innewohnenden Wucht des Metals.
Transformativ und progressiv sind nur zwei Adjektive, die Umeå`s Meshuggah beschreiben. Und die angesichts ihrer Diskografie mehr als bezeichnend für ihren Werdegang stehen. Nachdem „Chaosphere“ zum dritten Mal in Folge die kollektiven Verstände der Metal-Community gesprengt hatte, folgte 2002 „Nothing“. Das Album stand der Qualität des Vorgängers in keiner Weise nach. Seit dem Drittwerk verfolgen Meshuggah das Ziel, dystopische Konzeptalben über die kollektive Entmenschlichung durch Technologie zu schaffen.
Dieses Ziel wurde mit dem Magnum Opus von 2005, „Catch Thirty-Three“, mehr als erfüllt. Schließlich gilt das Werk als Referenz-Album der Band. Die synkopischen Riffs werden hier auf ihren Höhepunkt getrieben, sodass sie einen psychologischen Effekt auf die Hörer*innen haben. Sie entfalten sich Schicht um Schicht des massiven Albums im Hirn. 13 Songs auf 47 Minuten Lauflänge ergeben am Ende einen homogenen Guss, wie er selten auf Platte zu hören war. Ein Song reiht sich dermaßen nahtlos an den nächsten, dass die Übergänge kaum spürbar sind und Meshuggah´s Album seine gesamte Kraft in einem gigantischen Song entfalten kann.
Das eigene Meisterwerk zu übertreffen ist eine Aufgabe, die der des mythologischen Sisyphus in nichts nachsteht. Doch dem Wahnsinn von Meshuggah ist nichts entgegenzusetzen. 2008 erschien der heiß ersehnte Nachfolger „ObZen“, der den größten Hit im Repertoire der Band, „ Bleed “ , parat hält und längst Kultstatus erreichen konnte. Doch das Album reduziert sich nicht auf einen hochwertigen Song. Es kann mit dem Titeltrack, „Electric Red“ und „Dancers to a Discordant System“ auch andere qualitativ hochwertige Songs aufweisen. Auf diesem Album verabschiedeten sich Meshuggah von der Konzept-Formel und ließen wieder in sich geschlossene Songs für sich sprechen.
Darauf folgten 2012 „Koloss“ und 2016 „The Violent Sleep Of Reason“, welche erneut exzellente Erweiterungen des Kataloges der Band darstellen. Weiterhin werden Riffs gespielt, die elastisch erscheinen. Und die mithilfe der zugrunde liegenden Härte tief in die Psyche getrieben und damit unvergesslich werden. Zudem sind die Live-Shows von Meshuggah ein Ereignis, das seinesgleichen sucht. Brennende Fragen, die das technische Können der einzelnen Mitglieder anbelangt, werden in einer Nanosekunde brachial beantwortet und lassen oft hängende Kinnladen zurück. Hinzu kommen die intrikaten Lasershows, die mittlerweile zum Live-Programm zählen und die Band in ihre eigenen Silhouetten hüllt, was live absolut atmosphärisch funktioniert.
Eine lange Zeit war es ruhig um Meshuggah, doch im April 2022 war es so weit und die Verrückten kehrten mit ihrem neunten Studioalbum „Immutable“ zurück. Dabei ist der Name Programm. Stummschalten ist keine Option, die Wut ist nach wie vor klar spürbar. Zeit für große Überraschungen lässt das Album allerdings nicht zu. Wer Meshuggah kennt, weiß was er oder sie von Meshuggah bekommt. Genau das wird auf dem neuesten Werk dargeboten, mit Songs wie „They Move Below“ und „Army of The Preposterous“ als klare Highlights der Scheibe. Hiermit beweisen die Mannen um Frederik Thordendal erneut, dass sie zurecht auf dem Thron der Djent-Bewegung sitzen und in keiner absehbaren Zukunft entthront werden. Sie schufen den prägnanten Sound des Genres und wissen, wie er am meisten wehtut – selbst über 30 Jahre später. Eine wahrlich verrückte Band, so wie es der Name schon hergibt.
Falls ihr nach dem Lesen dieses Artikels über Meshuggah Lust auf weitere Beiträge über Genre-pushende Bands bekommen habt, dann findet ihr in unserer Blog-Rubrik Features Dutzende Beispiele für empfehlenswerte Musik. Unter anderem über die stilkombinierenden „Zeal and Ardor“ aus der Schweiz oder „Turnstile“ aus Baltimore, die den US – Hardcore verträumt und hymnisch neu definiert. Andere Bereiche der großen Welt der Musik sind auf mukken.com natürlich auch vertreten, schaut einfach rein, die Auswahl ist groß. Hier auf mukken.com werden täglich neue Inhalte aus der Musikwelt betrachtet und verständlich gemacht – weil Musik zusammenbringt.
Ursprünglich veröffentlicht am 16. August 2022 aktualisiert am 19. Oktober 2022