Amy - das tragische Schiksal der Amy Winehouse
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Der vermutlich größte musikalische Export aus Deutschland hört auf den Namen Rammstein und beschreibt ein Sechser – Gespann aus Berlin, dessen stakkatoartige Rhythmen, wie sie maschineller kaum klingen könnten, von Provokationen aufgeladene, raunende Texte und die spektakulären Live -Darbietungen, die Band zu einem der Aushängeschilder der Neuen Deutschen Härte etablieren ließen.
Seit dem 1. Januar 1994 existiert die Gruppe in der Urformation, bestehend aus Till Lindemann am Gesang, Richard Z. Kruspe und Paul Landers an den Gitarren, Oliver Riedel am Bass, Christian „Flake“ Lorenz an den Keyboards und Christoph „Doom“ Schneider am Schlagzeug. Mithilfe der schieren Wucht ihres militant-martialischen Minimalismus im Sound, den mitunter schockierenden als auch kreativen Musikvideos, und der meist clever verfassten Chiffre Lyrik mit Bezug auf traditionelle, literarische Werke der deutschen Sprache wuchsen sie zu einem Phänomen heran, welches sämtliche Ländergrenzen und Sprachbarrieren hinweg fegte und einen totalen Siegeszug auf globaler Ebene ebnete.
Nun ist es schon fast dreißig Jahre und seit dem 29. April 2022 acht Studioalben her, dass die sechs Männer ihr Dasein als exorbitantes Kunstkollektiv fristen, da offenbaren sich vermeintliche Abschiedsgebärden auf dem achten Album „Zeit“, gerade im passend betitelten Outro „Adieu“, und die Grundstimmung schwingt eher in Richtung Wehmut. Die Songs dazu verlaufen geradezu schleppend.
Der Schockfaktor hat über die Zeit an seinem Schauwert zunehmend eingebüßt, was lediglich die logische Folge einer immer weiter vernetzten, digitalisierten Welt, in welcher alltäglicher Zugang zu den düstersten Rezessen der menschlichen Psyche gefunden werden kann, darstellt. Platz für den schieren Schock machte eine auf den letzten Scheiben der Berliner Band sich weiter formierende Introspektion, welche mit dem aktuellen Album ihre konsequente Weiterführung erfährt. Manche behaupten, dass das achte Studioalbum das richtige Album zur richtigen Zeit ist und das Ende einer kulturellen Ära einleitet, doch ist dem wirklich so?
Bevor die Frage der Qualität des neuen Outputs untersucht wird, drehen wir zunächst die Zeit zurück zu den Anfängen und letztendlichen Erlangen des internationalen Kultstatus, denn ist dieser an sich überhaupt gerechtfertigt? Ein Jahr nach Bandgründung erschien bereits das erste vollständige Album von Rammstein namens „Herzeleid“. Allein das Cover reichte aus, um schlecht informierten Menschen ein Bild davon zu malen, dass dies eine Formation des teutonischen Testosterons sei, welche lediglich der Kultivierung von „toxischer Maskulinität“ frönt.
Harte Gitarren gepaart mit hart betonter Sprache und gestählten Körpern machten den Leuten damals Angst, denn dies könnte doch als ein direktes Lockmittel zu faschistoidem Gedankengut interpretiert werden, mit solch einer perfiden Fokussierung auf den männlichen Körper, da unter anderem der Körperkult ein integraler Bestandteil der NS-Ideologie war. Dazu kommen die martialischen Rhythmen und die bewusst provokante und harte Aussprache der deutschen Texte, die an einen gewissen Politiker erinnern, der den Nationalsozialismus auf politischer Ebene den Weg ebnete.
Bereits auf dem ersten Album werden verletzliche Seiten aufgezeigt, vor allem mit Hinblick auf die Lyrik. Ein großer Standout-Track von „Herzeleid“ ist keinesfalls einer der stumpfen, aber bombastischen Hymnen wie „Wollt Ihr das Bett in Flammen Sehen?“ , sondern der melancholische, herzzerreißende „Seemann“, welcher von einer zum Scheitern verurteilten Liebe handelt und das tragische Ableben des titelgebenden Seemannes auf hoher See behandelt.
Außerdem belehrt ein solcher Song Kritikerstimmen, welche behaupten, dass ein gewisser Grad an Introspektive erst im späteren Verlauf der Karriere eingearbeitet wurde. Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek setzte sich tief und lange mit der potenziellen Gefahr, die Rammstein ausstrahlt, auseinander und kam zu einem ebenso verblüffenden, wie auch klar erkenntlichen Fazit: Laut Zizeks Analyse bedienen sich Rammstein clever dem Duktus der Rhetorik und der Körpersprache der NS-Zeit, allerdings spielen sie auf einen gegenteiligen Effekt an und nehmen der Faszination nach und nach an Wirkung und Kraft weg, indem sie sie ritualmäßig wieder und wieder replizieren, bis sie ihren zerstörerischen Einfluss gänzlich verliert.
Das Motiv der Paarung von Sexualität und deutscher Sprache begleitet von repetitiven Rhythmen führt die Band seit den 90ern konsequent fort, was sich bis zu den Anfängen des 2010er Jahre zu einer Art Sezierung der Seele des Deutschseins transformierte, welche die Ängste und unterdrückten Gelüste eines gesamten Kollektivgedächtnisses einfing. „Sehnsucht“ von 1997 bescherte Rammstein einen verstärkten Popularitätsschub, mit Hits wie „Engel“ und „Du hast“, welche aus der deutschsprachigen Rocklandschaft kaum wegzudenken sind.
Mit dem Rampenlicht kommen natürlicherweise Negativschlagzeilen, wo immer wieder behauptet wurde, dass Rammstein zu geistlicher Brandstiftung anregen durch die Thematisierung von Tabus. Diese hielten die Berliner keineswegs auf und zu Beginn des Millenniums veröffentlichten sie ihr bis dato unerreichtes Magnum Opus namens "Mutter". Böse Zungen, die da immer noch behaupteten, dass Rammstein ein Outfit für faschistoides Gedankengut sei, belehren Till Lindemann und Co. schnell eines Besseren mit einer der ersten Singles des Albums, nämlich „Links 2 3 4“, welches sich mit der negativen medialen Aufmerksamkeit und deren Einengungsversuche beschäftigt und ein klares Statement gegen Rechtsextremismus artikuliert:
„Sie wollen mein Herz am rechten Fleck, doch
Rammstein - Links 2 3 4
Seh´ ich dann nach unten weg
Da schlägt es links!“
Nach dem gigantischen Einschlag von "Mutter" kam 2004 der nächste Kassenschlager heraus mit dem Titel "Reise Reise", welches den Erfolgstrend von Rammstein weiterführte mit schockierenden Bildern in deren immer opulenter produzierten Musikvideos, sowie einigen eindeutigen Querverweisen auf die deutsche Literatur, wie beispielsweise „Dalai Lama“ eine offensichtliche lyrische Anspielung an Goethe´s Erlkönig ist.
Auf dem 2009er Album Liebe Ist Für Alle Da ist der Hit „Haifisch“ ebenfalls eine Anerkennung des Schaffens eines alten Dichters, in diesem Fall Bertolt Brecht. Kritik, die behauptete, Rammstein wären nur stupide auf Sex und Schock aus, kann anhand solcher Beispiele direkt jeglicher Wind aus den Segeln genommen werden. 2005 erschienen noch die B-Seiten, also Lieder, die zur selben Zeit aufgenommen wurden, es am Ende aber doch nicht auf das fertige Album geschafft haben, zu "Reise Reise", nur dieses Mal auf "Rosenrot" gebannt. Zehn Jahre sollten ins Land ziehen, bevor das nächste Album erscheinen sollte, diesmal simpel unbetitelt belassen. Eine gigantische Tour entsprang dessen Release, dann kam die Pandemie und auf den Tag genau drei Jahre später erschien das aktuelle Album namens „Zeit“.
Ob das Album nun zur richtigen Zeit erschienen ist, bleibt wie so viel sonst endlos diskutabel. Die abermals 11 Songs (wie auf dem unbetitelten Vorgänger) wirken kraftlos und uninspiriert, da sie mit gar keinen musikalischen Neuerungen aufwarten, mit der kleinen, aber feinen Ausnahme, dass Flake mehr Spielraum für seine Keyboards eingeräumt bekommt und so des Öfteren strahlen darf.
Der Rest agiert wie gewohnt maschinell solide, die Drums tun wie gehabt nur das Nötigste, um den martialischen Akt voranzutreiben, und was für diese Art von Musik völlig legitim ist. Allerdings fällt auf, dass die einst verspielte Chiffren Lyrik des Sängers und Lyrikers Till Lindemann stark eingebüßt hat. Verschwunden sind die cleveren Wortspiele und literarischen Verweise, sowie der prinzipielle Schockfaktor der Inhalte und anstelle dessen wird nun jegliches Klischee affirmiert und bedient, wofür Rammstein jahrelang Kritik erntete.
Songtitel wie „Dicke Titten“ und „OK“, was für „Ohne Kondom“ steht, repräsentieren die plumpe Fixierung auf Sexualität und Deutschsein, zwei Pfeiler der Negativpresse, wobei es einem Geniestreich gliche, falls dies bewusst als Meta-Kommentar auf Rammsteins Gesamtwerk von der Band selbst konzipiert wurde.
Gegenüber diesen Facetten des Albums gibt es auch ernsthafte Nummern, wie etwa der Titeltrack, der mit seinen verschiedenen Schichten und Chanson – Anleihen an glorreiche Hymnen wie „Seemann“ oder „Ohne Dich“ erinnert.
Dennoch ist der Nachgeschmack dieses Albums eher fade, lange kommt kein erhöhter Wunsch nach mehrmaligen Durchläufen auf wie bei den vorangegangenen Klassikern von Rammstein. Mittlerweile besteht die Band in Originalformation seit beinahe 30 Jahren, und ein gewisser Tribut wird nach jahrelangem, exzessivem Touring verlangt, und so markiert „Zeit“ vielleicht wirklich den Abschied einer legendären deutschen Band, die für alle Zeiten ein wichtiger Kulturexport verbleiben wird.
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Ursprünglich veröffentlicht am 4. Juni 2022 aktualisiert am 15. Juni 2022