Pedal DIY: Ist Gitarrenpedale selber bauen etwas für Anfänger?
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Das was Rockmusik einst bedeutete, gleicht in vielem einem Schatten seiner selbst. Ehrliche und schamlose Gitarrenmusik, wurde als wichtigste globale Jugendkultur zunehmend verdrängt und verlor sich in Bedeutungslosigkeit des heutigen Pop-Verständnisses. Der Zeitgeist trägt einen ganz anderen Namen: Hip-Hop. Ohne Zweifel ist Rapmusik als Genre in seiner Opulenz und auch nach Jahren des Maximalismus unerreicht und der große kulturelle Einfluss des 21. Jahrhunderts.
Der vielzitierte „Tot der Gitarre“ ist in diesem Kontext heute ein realer Konsens. Streamingzahlen, Charts, Kritiker und Schlagzeilen belegen totgesagte einer aussterbenden Art. Das was der Gitarrenrock als Ausdrucksform von heute braucht, ist keine immer wieder rezitierte nostalgische Seele, sondern Innovation und Relevanz: Eine inspirierende und echte musikalische Energie zwischen saturierter Partykultur und progressiv-provokantem Rock’n’Roll.
Faszinierend deutlich hat eine Band aus Brighton diese Dynamik aufgespielt, ohne sich dabei in einem Moment gestrig abzutun. Royal Blood, ein Duo, im Angesicht ihres eigenen Alltagsrealismus britischer Vorstadt-Kids, entschied sich schon im Jahre 2013, aus dem nichts ihre eigene musikalische Gewalt heraufzubeschwören. Mit einem spaßigen Selbstverständnis und spürbarer Euphorie, überzeugten Michael Kerr und Ben Thatcher raketenartig, mit ihrer Mischung aus experimentell-rasantem Rock mit Pop-Attitüde, und präsentierten in den letzten Jahren, einen nicht zu letzt seltenen Moment avancierter Gitarrenmusik.
Radikal und einfach spielten sie, wie sonst größer aufgelegte Bands, fulminant einen Sound, welcher zugleich vertraut war, jedoch erfrischend klang. Letzteres liegt ohne Zweifel daran wie Michael Kerr seinen taktgebenden Bass als schwungvolle E-Gitarre behandelt und mit seinem nicht makellosen Gesang krönt. Das wirklich klare und konzentrierte Schlagzeugspiel von Ben Thatcher bringt Kerr’s schundrige Klasse in eine rhythmische Symbiose und treibt seine melodische Intensität durch die volle Länge ihrer einschlägigen Songs. Erstaunlicherweise ergötzt sich nun, ihr seit einigen Jahren wilder Ritt durch die Welt des Rock’n’Roll, vor allem in Ihrem neuen Überhit „Boilermakers“ und macht diese schon fast stereotypische Erfahrung zum zentralen Thema ihres neuen Albums.
Schaut man auf die heutige Rockmusik so stellt man fest, dass weltweit noch immer viel veröffentlicht wird. Aufgrund seiner mehr und mehr fehlenden Präsenz ist es möglicherweise nur etwas schwieriger ihn zu finden. Vieles versucht den alten Geist vergangener Epochen heraufzubeschwören, ohne dabei neue Einflüsse zuzulassen. Es geht darum Genregrenzen zu durchbrechen und aus dem was es schon gibt zu entkommen. Gerade die Vergangenheit des Genres zeigte es in den 60s und 70s zu genüge, dass eine Verschmelzung von Spielarten das Genre zu dem machte, was es zu seiner Blütezeit war und bis heute ist. Pop als ganzes durchlief stets die unterschiedlichsten Phasen seiner größten musikalischen Einflüsse. So war es damals beispielsweise der Jazz und heute ist es die Rapmusik, welche veränderte. Hip-Hop und Pop haben den Platz der einflussreichsten Musikgenres eingenommen und den Stellenwert von Rock gesenkt. Ob dieser Rückgang temporär bleibt, liegt an dem Umgang neuer Generationen mit dem Genre selbst. Die Zukunft der Rockmusik muss auf kreative Art und Weise neu verhandelt werden. Royal Blood scheint diesen Weg gegangen zu sein.
Alle bis hier hörbaren Songs des neunen Albums „Typhoons“ sind diesem Kredo gefolgt. Auf keiner Tonspur verliert das Duo sein Bild zu sich selbst. Das es sich bei den Singles um Royal Blood-Songs handelt ist unverkennbar. Der zentrale Geist der Band, welcher jeden Song heimsucht, wird durch jeden Song durch kräftiges Schlagzeugspiel getrieben und akkurat durch Kerr`s verzerrten Bass und düster konnotierten Gesang aufgefangen. Und dabei scheint es, als hätte die Band ziemlich gut verstanden, was Disco ist. Denn ein ziemlich präsentes stilistisches Merkmal der neuen Platte scheinen Einflüsse elektronischer Musik zu sein. Einige Ecken und Kanten der Songs erinnern dabei stark an die hysterisch-elektrische Musik von Justice oder aber Daft Punk. Und dann kam „Boilermakers“.
Der wie hier zuvor betitelte „Überhit“, lebt sich nach den zuvor leichten Disco-Momenten in eine völlig andere Richtung aus. Was hier passiert, liegt wohl nicht zuletzt daran, das dieser Song aus der Feder des Königs der Queens of the Stone Age stammt. Niemand geringeres als Joshua Homme beteiligte sich maßgeblich an „Boilermakers“, welcher nicht zu letzt klar das Klangbild verantwortet. Der Inhalt des Songs macht außerdem deutlich, das Momentum des zentralen Themas, des neuen Albums, erkennbar. Royal Blood erlebte und tat das was viele Rockstars eben so tun und machen die Abstinenz zu Alkohol und Drogen verantwortlich für die eigene Entwicklung auf ihrem neuen Album. Die letzten Jahre vergingen wie im Rausch und wie sich das anfühlen muss, macht „Boilermaker“ erlebbar. Die Symbiose aus Stoner und Brit Rock mit Wüstenambiente gelingt. Ein so treibend ehrlicher und authentischer Rock-Song dürfte endgültig der Beweis sein, das Royal Blood eine der wenigen Bands sind, welche den Geist vergangener Tage, den Mut zur Veränderung zusammenbringen und dabei sich irgendwie neu anhören ohne dabei fremd zu sein. Ihr fulminanter Erfolg spricht dafür.
Hörbar schwebt die Band so konsequent sehnsuchtsvoll wohlmöglich ihrem ersten Höhepunkt ihrer noch jungen Diskografie entgegen. Denn für das Genre setzen sie mit Ihrer Musik ein beispielloses Ausrufezeichen. Ehrlicher Rock’n’Roll der Grenzen überwindet und dabei irgendwie Pop sein kann, den alten Spirit aufleben lässt ohne dabei in Nostalgie verloren zu gehen, ist eine dieser neuen kreativen und mutigen Arten sich mit dem Genre auseinanderzusetzen und den Rock von heute neu zu behandeln.
Ursprünglich veröffentlicht am 26. April 2021 aktualisiert am 21. März 2023