Pedal DIY: Ist Gitarrenpedale selber bauen etwas für Anfänger?
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US-Hardcore geht einen langen Weg zurück, genaugenommen bis in die späten 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und hauptsächlich wurde dieser Musikstil in Kalifornien und Washington D.C. geprägt, von Bands wie den Dead Kennedys, Black Flag, Bad Brains und vielen weiteren. Eine andere Bezeichnung für Hardcore, beziehungsweise die ausführliche Genrebezeichnung ist schlicht Hardcore Punk, da es im Punk verwurzelt ist und eine deutlich schnellere und aggressivere Spielform des vorangegangenen Genres abgibt, gepaart mit frenetischer Energie aller Beteiligten und teilweise brutalen Live-Shows.
Eine wichtige Komponente, die so gut wie allen Formationen des Genres gemeinsam haben sind die positiven, lebensbejahenden Parolen und kaum eine moderne Band des US-Hardcore verströmt diese Energie derart infektiös wie Turnstile. Die Band besteht aus Brandan Yates am Gesang, Brady Ebert und Pat McCrory an den E-Gitarren, Franz Lyons am Bass und last, but not least Daniel Fang am Schlagzeug.
2010 wurde die Band an der US-Amerikanischen Ostküste in Baltimore, Maryland gegründet und hat seitdem drei vollwertige Studioalben und diverse Singles und EPs herausgebracht. Insbesondere der Langspieler „Glow On“ von 2021 katapultierte die fünfköpfige Bande vollständig in das große Scheinwerferlicht.
Was macht Turnstile derart besonders, dass sie zu den Überfliegern der gesamten US-Hardcore Szene zählen, und sämtliche ranghafte Formate im US-Fernsehen besuchen, unter anderem eine Performance bei Jimmy Kimmel, einer der ganz großen Late Night Talkshow Hosts? Beim technischen Aspekt kommt sofort die Stimme von Sänger Brendan Yates als eine Antwortmöglichkeit auf, da er sich stimmlich prägnant von anderen Hardcore Frontsäuen abhebt.
In der kreativen Schaffensphase des US-Hardcore fand sich alsbald eine gewisse Formel, was den Gesang bei dieser Art von Musik definiert: Krächzender, angestrengter Gesang, bei dem jede Menge Wut und Frustration mitschwingt, die sich im bisherigen Leben angestaut hat. Allerdings hat diese Form des Gesangs eine große Beschränkung, die da wäre: Einseitigkeit. Zu viele Sänger und Sängerinnen im Hardcore Bereich legen eine Menge wert darauf, gebeutelt und empört zugleich zu klingen, jedoch häufig auf Kosten von einem eigenen Charakter, dem Wiedererkennungswert.
Brendan Yates von Turnstile ist die Fleisch gewordene Antithese zum Klischee, dass sämtliche Hardcore Bands immer gleich klingende Sänger und Sängerinnen haben. Durch die gesamte Diskografie hinweg und nicht erst seit deren größten kommerziellen Erfolg „Glow On“ vereint er spielerisch Melodie und Aggression in seiner Stimme, wobei die Worte so verständlich wie möglich vorgetragen werden.
Mittlerweile bezeichnet die Band ihre Musik als sogenannten Dream Punk, was spätestens seit Erscheinen von „Glow On“ absolut treffend und bezeichnend ist, jedoch zeichnete sich das träumerische Potenzial schon seit Anbeginn von Turnstile´s Karriere ab und kommt nicht völlig unerwartet um die Ecke.
Von der ersten EP „Pressure To Succeed“ (2011) bis zum ersten Langspieler von Turnstile, „Nonstop Feeling“ (2015) kristallisieren sich geradlinige Pop-Sensibilitäten stückchenweise heraus, die hin und wieder kurz im Mix auftauchen, nur um augenblicklich wieder den Gehörgängen zu entweichen.
Schon zu der früheren aktiven Zeit von Turnstile kamen die Pop- und Rock Einflüsse zusammen mit dem Hardcore Punk Grundgerüst, ohne dabei unangenehm oder gar störend aufzufallen, sondern sich geschmeidig ins Gesamtgefüge einzufügen.
Traditionelle Fans von klassischem Rock und Pop kommen bei Turnstile ebenso auf ihre Kosten wie eingefleischte Hardcore Veteranen und Veteraninnen, was zum Beispiel in den Kommentarspalten etlicher Turnstile YouTube Videos ersichtlich wird, in denen Fans der ersten Stunde über das Geschick der Band schwärmen, den Spirit der 80er traumhaft schön mit einer modernen Ästhetik zu paaren.
Textlich gesehen bleiben Turnstile recht konservativ für Hardcore Verhältnisse, denn wie in diesem Musikgenre üblich, sind die Songtexte recht kurz und prägnant gehalten und erzählen meistens aus der Ich-Perspektive über introspektive Einsichten und lebensbejahende Botschaften, keine ellenlangen, metaphysischen Abhandlungen über das Drama des Lebens.
Die Würze in dieser Kürze liegt in der ungemein dynamischen und mitreißenden Performance von Brendan Yates, die zwischen kraftvollen, harmonischen Clean Vocals und Hardcore typischen Gezeter alterniert und dabei einen ganz eigenen Charakter einnimmt und zum Träumen animiert. Auf instrumentaler Seite preschen die Gitarren mit punkigem Rotz voran und behalten die schnelle und aggressive Hardcore Grund-DNA bei, nur um unvermittelt mit rockigen und verträumten Gitarrenläufen aufzuwarten, welche sich nahtlos in das Gewebe von Turnstile einbinden.
Eine treffende Bezeichnung für die neuartige Nische, die sich durch Turnstile bildet, wäre genre-fluider Hardcore, der das Maß der Dinge im Hardcore Bereich in Zukunft beeinflussen wird, zu innovativ ist die Formel, der sich die fünfköpfige Truppe verschrieben hat.
Mit ihrem dritten Album “Glow On” aus dem Jahr 2021 brachen Turnstile vollständig aus der Versenkung aus und enterten die internationalen Chartplatzierungen, bekamen Top Platzierungen bei diversen Album-des-Jahres Listen und gaben sich der breiten Öffentlichkeit mit Auftritten bei renommierten Talkshows preis. Auf dem mit 15 Stücken versehenen Album von rund 35 Minuten Spielzeit kulminieren Turnstile ihre Verspieltheit und etablieren sich als Vorreiter einer eigenen Nische, der des Dream Punk.
Der Zeitpunkt dieser Einladung zum Träumen hätte mit dem Sommer des letzten Jahres nicht besser gesetzt sein können, nachdem die Welt sich in kürzester Zeit radikal veränderte. Das Quintett feuert aus allen Zylindern und gestaltet „Glow On“ als ein ganz eigenartiges und einzigartiges Hardcore Erlebnis, was gehört werden muss, um es in seiner Fülle zu erahnen. Songs wie der Opener „Mystery“ oder Folgetrack „Blackout“ gehen voller Adrenalin nach vorne und lassen jedes Hardcore Herz höherschlagen, während „Underwater Boi“ die verzerrten Gitarren fast komplett in den Hintergrund drängt für Dream Pop Vibes, ohne dass es erzwungen wirkt.
Die Platte strotzt nur so vor Ideenreichtum und balanciert gekonnt verschiedenste Genre Einflüsse wie Shoegaze, Alternative Rock, Post-Punk und sogar Samba zu einem homogenen Gesamtwerk.
Punkhymnen für eine neue Welt wurden mit „Glow On“ verewigt und es bleibt aufregend, wohin die Reise für Turnstile von nun an hinauslaufen wird. Wenn man die gesamte Diskografie von Anfang bis zum aktuellen Stand beobachtet, so kommt dieser innovative Stil nicht plötzlich aus dem Nichts, sondern wurde anfangs schon subtil eingewoben, nur um über die Zeit zu reifen und auf „Glow On“ seinen bisherigen kreativen Höhepunkt zu finden.
Jedes Rädchen im Getriebe sitzt an seinem Platz und beschert weitere Belohnungen mit jedem weiteren Durchlauf des Albums. „Glow On“ reiht sich in die Ränge der großen, tonangebenden dritten Alben von Interpretierenden ein, die deren künstlerische Integrität maßgeblich formen und deren weitere Laufbahnen definierten. Nach diesem kolossalen Erfolg liegt es an Turnstile, ob und wie sie mit dem neu generierten Hype umgehen und ihren weiteren Pfad beschreiten werden.
Sie haben das Kunststück vollbracht, etwas Eigenes geschaffen zu haben und frischen Wind in die verstaube Hardcore Szene zu wehen und alte und neue Fans gleichfalls zu begeistern. Eine gewinnbringende Formel liegt in Turnstile´s Händen und wenn der Weg von „Glow On“ weiterbeschritten wird, dann ist es schlicht und ergreifend ein Traum.
Wurdet ihr mitgerissen von der Story über den kometenhaften Aufstieg der US-Hardcore Visionäre Turnstile? Verspürt ihr nun Lust, euch mehr mit der Materie des US-Hardcores zu beschäftigen, oder reicht dieser Beitrag völlig für euch aus? Egal wie die individuellen Antworten auf diese Fragen ausfallen, wichtig ist, dass auf mukken.com regelmäßig mit Herzblut an sämtlichen musikrelevanten Themen von einem breit aufgestellten Redaktionsteam gearbeitet wird.
Eventuell könnte das Feature zu Voivod noch zu begeistern wissen, eine Band, die nach über 40 Jahren im Geschäft keine Spur von Stagnation erleidet. Zu dieser Thematik passt ebenfalls der Beitrag zu Immolation, einer majestätisch klingenden Death Metal Band aus New York, welche einen ähnlichen Arbeitsethos wie die durchgeknallten Frankokanadier an den Tag legen.
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Ursprünglich veröffentlicht am 12. Juli 2022 aktualisiert am 14. September 2022
Fokusthema: Der Schmyt - Underdog, Newcomer und Ausnahmetalent